Die Klausel zu Sofortleistungen in der privaten Unfallversicherung war Gegenstand eines Beschlusses des Oberlandesgerichtes Hamm (OLG Hamm, 07.08.2023 – 20 U 19/23). Hintergrund war eine etwas missverständlich formulierte Klausel zu Brüchen an großen Röhrenknochen.
Zum Sachverhalt
Die Klägerin unterhielt einen Vertrag über eine private Unfallversicherung. In den Versicherungsbedingungen war eine Sofortleistung für Schwerverletzungen vereinbart. Voraussetzung war ein „Fraktur an zwei langen Röhrenknochen (Ober/Unterarm, Ober-/Unterschenkel)”, wobei zwei „zwei unterschiedliche Gliedmaßenabschnitte“ betroffen sein müssen.
Die Klägerin brach sich Schien- und Wadenbein an ein und demselben Bein. Sie verlangte nunmehr die Leistung für Schwerverletzung und trug vor, die verwendete Klausel sei unklar und müsse folglich zu Lasten des Versicherers ausgelegt werden. Das Landgericht wies die Klage ab, woraufhin die Versicherte Berufung beim OLG einlegte.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Hamm erließ einen Hinweisbeschluss und empfahl die Rücknahme der Berufung. Der Senat schloss sich der Ansicht des Landgerichts an.
Keine unklare Klausel zu Fraktur an Röhrenknochen
Der Senat stellte heraus, dass die verwendete Klausel nicht im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB unklar sei: „Diese Vorschrift, wonach Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen, greift nur ein, wenn die Möglichkeiten der Auslegung erschöpft sind und objektive Mehrdeutigkeiten verbleiben.“
Die Richter sahen den hier verwendeten Wortlaut allerdings als eindeutig und unmissverständlich an. Die Auslegung der Versicherungsbedingungen könne nichts anderes ergeben, als dass die versicherte Person eine Fraktur an zwei langen Röhrenknochen an zwei unterschiedlichen Gliedmaßen erlitten haben muss.
Es erfolgte der Hinweis auf die Entscheidung OLG Frankfurt/M. (Urteil vom 25. 6. 1997 – 7 U 133/96), welches die Klausel bereits als wirksam erachtete, obwohl zum damaligen Zeitpunkt die Formulierung „an zwei unterschiedlichen Gliedmaßenabschnitten“ noch nicht enthalten war.
Klausel ist auch nicht überraschend
Der Auffassung der Klägerin, die Klausel sei „versteckt“, also überraschen nach § 305c BGB, wurde ebenfalls eine Absage erteilt.
Die Regelung sei keine Ausschlussklausel sondern eine allgemeine Leistungsbeschreibung. Im Versicherungsschein werden Leistungen für Schwerverletzungen versprochen, die in den Versicherungsbedingungen näher definiert werden. Der Versicherungsnehmer müsse sich – „zwangsläufig“ – in den Allgemeinen Unfallversicherungsbedinungen informieren.
Die unter Ziff. 2.2.4.1.2 AUB im 6. Spiegelstrich genannte Schwerverletzung („Fraktur an zwei langen Röhrenknochen (Ober-/Unterarm, Ober-/Unterschenkel) an zwei unterschiedlichen Gliedmaßenabschnitten“) sei eine der abschließend geregelten Leistungsvoraussetzungen.
Von einer überraschenden Klausel im Sinne von § 305c BGB könne demnach keine Rede sein.
Anmerkung von Rechtsanwalt Stephan Schneider
Die Klausel zu Sofortleistungen bei Schwerverletzungen bei Brüchen von großen Röhrenknochen führen immer wieder einmal zu Fragen bei den Versicherungsnehmern. Auch wenn das OLG Hamm in der aus juristischer Sicht bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen eine richtige Entscheidung getroffen haben dürfte, sind die Klauseln zu den Schwerverletzungen in der privaten Unfallversicherung teilweise etwas verwirrend formuliert. Auch in der Kanzlei wurden hierzu schon mehrfach Klagen beantwortet. Letztlich ist die Frage seit Jahrzehnten obergerichtlich entschieden. Es ist nicht klar, warum der Rechtsanwalt der Versicherungsnehmerin in diesem Fall Klage erhoben hat.
Auf der anderen Seite sollten sich Versicherte von den privaten Unfallversicherern nicht abwimmeln lassen, gerade wenn es um die Auslegung von Versicherungsbedingungen geht. Es gibt durchaus Fälle, in denen Gerichte eine Auslegung zu Lasten der Versicherer vornehmen. Besonders bekannt geworden ist hierbei beispielweise die Gelenkrechtsprechung. Und auf diese Idee muss man erst einmal kommen!