OLG Dresden: Unfallversicherung muss nach Skiunfall zahlen

Das Oberlandesgericht Dresden verurteilte einen Unfallversicherer zur Zahlung einer Invaliditätsleistung nach einer Schulterverletzung beim Skifahren. Im Zentrum der Entscheidung standen die typischen Streitfragen zur Kausalität und zum Mitwirkungsanteil

OLG Dresden, Urteil vom 21. Januar 2025, Az.: 4 U 1079/23

Zum Sachverhalt

Die Klägerin erlitt am 08.02.2016 einen Sturz beim Skifahren und verletzte sich die rechte Schulter. Beim Unfall wurden die Arme nach vorn gerissen, anschließend stürzte sie auf Gesicht und rechte Schulter.

Unmittelbar nach dem Sturz trat eine „Pseudolähmung“ des rechten Arms auf. In der sofortigen ärztlichen Behandlung wurde eine eingeschränkte Abduktion und Außenrotation dokumentiert; die Ärzte äußerten den Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenläsion.

Ein MRT vom 16.02.2016 zeigte eine ödematöse Auftreibung im Bereich der Supraspinatussehne. Im weiteren Verlauf besserten sich die Beschwerden nicht. Im MRT vom 11.10.2016 wurde schließlich eine vollständige Ruptur der Supraspinatussehne festgestellt.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Leistung wurde wohl vom privaten Unfallversicherer vollständig verweigert und die Versicherungsnehmerin reichte Klage ein. Der Rechtsstreit landete im Berufungsverfahren und das Oberlandesgericht Dresden hatte im Wesentlichen über die Frage der Kausalität und einen vom Unfallversicherer behaupteten Mitwirkungsanteil zu entscheiden.

Kausalität zwischen Unfall und Sehnenriss

Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Unfallmechanismus („Nachvornereißen der Arme“ mit anschließendem Sturz auf Schulter und Gesicht) geeignet war, eine Dehnung und nachfolgend eine Ruptur der Supraspinatussehne zu verursachen. Deutliche Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzung waren:

  • die unmittelbar aufgetretene Pseudolähmung,

  • die sofortige ärztliche Behandlung mit Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenläsion,

  • der frühe MRT-Befund mit ödematöser Auftreibung der Supraspinatussehne,

  • die persistierenden Beschwerden bis zur endgültigen Diagnose der vollständigen Ruptur im Oktober 2016.

Das Gericht sah damit das Erstschadensbild als vollbeweislich gesichert an.

Degenerative Vorschäden schließen Unfallkausalität nicht aus

Unstreitig lagen bei der Klägerin degenerative Vorschäden an der rechten Schulter und ein Impingement-Syndrom vor. Der Sachverständige sagte jedoch aus, „dass die sachverständigerseits ebenfalls festgestellte Degeneration des Schultergelenks für die Frage, ob sich infolge des Unfalls eine Ruptur entwickelt habe, die am 16.02.2016 noch nicht auf dem MRT zu sehen war, ohne Einfluss gewesen sei.“ Als Alleinursache für den Sehnenriss in der Schulter seien die Vorschäden auf jeden Fall auszuschließen.

Der Senat wies auf die gefestigte Rechtsprechung hin, nach der es in der privaten Unfallversicherung für einen adäquaten Kausalzusammenhang genügt, wenn durch den Unfall auch nur eine „Gelegenheitsursache“ besteht, die nur einen unmaßgeblichen Anlass für die Beschwerden setzt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – IV ZR 521/14). Das Vorhandensein von Vorschäden schließt daher die Kausalität zwischen Unfall und Gesundheitsschäden damit nicht aus.

Kein Abzug wegen Mitwirkungsanteil

Der Invaliditätsgrad berechnete sich nach der Gliedertaxe der abgeschlossenen Unfallversicherung. Bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit „eines Armes im Schultergelenk“ sind 70 Prozent der vereinbarten Invaliditätssumme zu zahlen. Es wurden für die Einschränkung der Armvorhebung 1/20 und für die Rotationseinschränkung zusätzlich 1/20, insgesamt also 2/20 (entspricht 7%).

Der vom Versicherer behauptete Mitwirkungsanteil von 50% wurden vom Sachverständigem und den Richtern verneint.

Für die Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen an der Gesundheitsschädigung ist der Unfallversicherer darlegungs- und beweisbelastet. „Der Versicherer muss dabei auch beweisen, dass unfallunabhängige Verschleißerscheinungen, die er anspruchskürzend berücksichtigen will, über das altersgerechte Maß hinausgehen.“

Der Sachverständige sagte aber aus, er könne „einen genauen Prozentsatz zur Wahrscheinlichkeit der Mitwirkung nicht einmal näherungsweise“ bestimmen.

Außerdem hat der Sachverständige die Vorschädigung als „altersentsprechenden Normalbefund“ angesehen. Die Klägerin hatte zudem vor dem Unfall keine Beschwerden im Bereich der Schulter, was er für ein wichtiges Anzeichen betrachtete.

Anmerkung

Verletzungen der Schulter zählen zweifelsohne zu den häufigsten Fällen für den Rechtsanwalt in der privaten Unfallversicherung. Immer wieder lehnen Versicherer die Invaliditätsleistung pauschalisiert mit einem Hinweis auf die angeblich fehlende Kausalität zwischen Unfall und der geschädigten Schulter ab. Für die Versicherten, die nach dem Unfall oftmals schwer beeinträchtigt sind, ist dies ein Schlag ins Gesicht.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden zeigt die entscheidenden Probleme zur Kausalität und Mitwirkungsanteil auf. Die Entscheidung ist teilweise etwas schwierig zu lesen, da sie Sachverhalt auslässt und tiefes Wissen in der privaten Unfallversicherung voraussetzt.

Die Kausalität und der Ausschluss aufgrund der Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen sind in der privaten Unfallversicherung strikt auseinander zu halten. Die Unfallversicherer und ihre Rechtsanwälte versuchen immer wieder, die beiden Fragen miteinander zu verwischen.

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