Als Gelenkrechtsprechung werden drei Urteile zur privaten Unfallversicherung bezeichnet, in denen der Bundesgerichtshof (BGH) zur Bemessung des Invaliditätsgrads nach Gliedertaxe im Bereich der Gelenke zu Gunsten der Versicherten entschieden hat.

Ältere Allgemeine Versicherungsbedingungen in der Unfallversicherung (AUB) enthalten oftmals die Formulierung „…im …gelenk“. Der BGH hat diese Formulierung als missverständlich angesehen, was zu einer für den Versicherungsnehmer günstigsten Auslegung führt.

Im Einzelnen ergingen folgende Urteile:

Fuß im Fußgelenk:             BGH, Urteil vom 17.01.2001

Hand im Handgelenk:      BGH, Urteil vom 09.07.2003

Arm im Schultergelenk:  BGH, Urteil vom 24.05.2006

 

Tipp! Enthält die Gliedertaxe in Ihren Versicherungsbedingungen die Formulierung „Fuß im Fußgelenk“, „Hand im Handgelenk“ oder „Arm im Schultergelenk“, sollten Sie immer einen Rechtsanwalt für Versicherungsrecht kontaktieren. Die Invaliditätsleistung wird in diesen Fällen fast immer vom Unfallversicherer heruntergerechnet. Sie können meist ein Vielfaches von dem beanspruchen, was der Versicherer zahlen will.

 

Unklarheiten in der Gliedertaxe

Ursprünglich beabsichtigten die Versicherer aus systematischer Sicht, den vollen Wert lediglich bei Amputation oder völligem Funktionsverlust von Fuß, Hand oder Arm ab Gelenk zu entschädigen. Der BGH hat jedoch die Formulierung in den Versicherungsbedingungen in den genannten Urteilen zur Unfallversicherung für unklar erklärt. Die Entschädigung ist daher bereits dann zu zahlen, wenn das jeweilige Gelenk versteift ist. Es ist dabei unschädlich, wenn das übrige Körperteil, d.h. Hand, Arm oder Fuß, deswegen weiter voll oder auch nur teilweise funktionsfähig ist. Sofern ein Gelenk nur teilweise versteift ist, wird eine prozentuale Berechnung des Gelenkwerts vorgenommen.

Alte Verträge überprüfen!

Die älteren Musterbedingungen für die Unfallversicherungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft enthalten die oben genannte Formulierung in der Gliedertaxe (insbes. AUB 88, AUB 94, AUB 2000).

Da die Gelenkrechtsprechung für die Unfallversicherer eine teure Angelegenheit wurde, haben die Versicherer jedenfalls ab 2006 nach und nach die Versicherungsbedingungen umgestellt. In diesen Bedingungen ist meist nur noch von „Fuß“, „Hand“ oder „Arm“ die Rede. Bei Neuverträgen ist eine solche Umstellung selbstverständlich legitim.

Problematisch ist es, wenn Versicherer die Versicherungsbedingungen einer laufenden Unfallversicherung umstellen. Hier wurde oft versucht, der Gelenkrechtsprechung des BGH dadurch zu begegnen, nachträglich die Gliedertaxe zu ändern. Bei einer derartigen  „Umstellung“ oder „Anpassung“ der Versicherungsbedingungen muss jedoch auf die Nachteile hingewiesen werden, welche sich für den Versicherungsnehmer ergeben. Die neuen Bedingungen für die Unfallversicherung mit der angepassten Gliedertaxe dürfen nicht einfach „untergejubelt“ werden.  Derartige Vertragsänderungen können unwirksam sein.

Tipp! Tritt der Versicherer an Sie heran, er wolle die Versicherungsbedingungen anpassen oder umstellen, sollten Sie sehr skeptisch sein. In fast alles Fällen will der Versicherer auf veränderte Umstände oder eine versicherungsnehmerfreundliche Rechtsprechung reagieren. Beispielweise versuchten Versicherer in der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Lockdown Versicherungsbedingungen derart zu ändern, dass künftig bei Restaurantinhabern Bakteriengruppen ausgeschlossen sein sollten, zu denen unter anderem Salmonellen gehören. Günstig für wen? Daher: Alte Versicherungsbedingungen sind fast immer für den Versicherten günstiger!

 

Gelenkrechtsprechung des BGH: Checkliste

Wann kann sich der Versicherte auf die Gelenkrechtsprechung berufen? Die Rechtsprechung des BGH zu den Formulierungen in der Gliedertaxe „Fuß im Fußgelenk“, „Hand im Handgelenk“ oder „Arm im Schultergelenk“ ist für den Laien schwer durchschaubar. Mit folgender Checkliste haben Sie eine grobe Orientierung, ob Sie von der Gelenkrechtsprechung profitieren:

 

Checkliste Gelenkrechtsprechung
  1. (teilweise) Versteifung oder (teilweise) Funktionsunfähigkeit des Fuß-, Hand- oder Schultergelenks
  2. Formulierung in der Gliedertaxe in den Versicherungsbedingungen (AUB): Fuß im Fußgelenk, Hand im Handgelenk oder Arm im Schultergelenk
  3. Unfallversicherung vor 2006 abgeschlossen oder ältere Versicherungsbedingungen vereinbart?
  4. Falls der Versicherer die Versicherungsbedingungen „umgestellt“ hat: Wurden Sie ausdrücklich auf die Nachteile hingewiesen?

 

Rechtsanwalt für Unfallversicherung

Sofern sich in Ihrem Fall Hinweise ergeben, dass Sie von der Gelenkrechtsprechung des BGH profitieren könnten, sollten Sie umgehend einen Rechtsanwalt für Unfallversicherung bzw. Versicherungsrecht kontaktieren. Keinesfalls sollten Sie ein Angebot der Unfallversicherung akzeptieren, da diese Angebote oftmals „heruntergerechnet“ sind. Auch die Gutachter der Unfallversicherungen sind regelmäßig über die Problematik informiert und werden sich eher im Sinne ihrer Auftraggeber, also der Versicherungsunternehmen, äußern.

Selbstverständlich können Sie auch hinsichtlich der Gelenkrechtsprechung in der Unfallversicherung das Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzung nutzen.

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