Endet die Berufsunfähigkeit früher als ursprünglich prognostiziert, behaupten Versicherer teilweise, es läge eine „vorübergehende Berufsunfähigkeit“ vor, die sich nach einer üblichen „6-Monats-Klausel“ richten würde. Sie behaupten beispielweise, ein Anspruch auf die BU-Rente würde erst ab dem sechsten oder siebten Monat bestehen.

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Eine solche Klausel könnte wie folgt lauten:

„Ist der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.“

Anmerkung: Diese Klauseln können recht unterschiedlich gestaltet sein. Teilweise wird auch auf Arbeitsunfähigkeit abgestellt. Bei Leistungskürzungen durch den Versicherer sollte die Angelegenheit generell von einem spezialisierten Rechtsanwalt für Berufsunfähigkeit geprüft werden. Oftmals sind diese Kürzungen nicht rechtmäßig.

 

Was bedeutet dauerhafte Berufsunfähigkeit?

Die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit beinhalten immer das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich dauernd“ oder „voraussichtlich auf Dauer“. Hier gilt es genau zu lesen. Das Grundprinzip der Berufsunfähigkeit ist also eine dauerhafte Unfähigkeit den zuletzt ausgeübten Beruf aufgrund einer Erkrankung zu mehr als 50% nicht mehr ausüben zu können. Eine ausdrückliche „vorübergehende Berufsunfähigkeit“ kennen die meisten Bedingungen hingegen nicht.

Die Rechtsprechung hat schon frühzeitig den Begriff „auf Dauer“ in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten gesehen.

Wichtig ist nunmehr das Wörtchen „voraussichtlich“, klar: niemand kann in die Zukunft sehen. Daher ist beim Eintritt der Berufsunfähigkeit immer eine (ärztliche) Prognose über die Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit notwendig. Dies kann durchaus kompliziert werden.

Beispiele:

  1. Die Versicherte beantragt am 01.03.2020 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung wegen Depressionen und Angststörungen. Die Diagnose wurde vom Arzt am 01.02.2020 gestellt. Der Versicherer schreibt, die Versicherte müsse noch sechs Monate warten. Der Anspruch sei noch nicht gegeben. Der Versicherer könnte hier recht haben. Bei psychischen Erkrankungen ist es schwer zu Beginn einer gesicherten Diagnose eine Prognose über die Dauerhaftigkeit zu geben. Die Versicherte sollte den Antrag trotzdem stellen, um bei einer späteren Prognose keine Leistungen zu verlieren.
  1. Beim Versicherten ist am 01.03.2020 ein Prostatakarzinom festgestellt worden. Eine Operation ist für den 15.03.2020 geplant. Anschließend soll Bestrahlung und eine Chemotherapie stattfinden. Der Versicherte stellt noch schnell am 10.03.2020 einen Antrag auf die BU-Rente. Der Versicherer lehnt mit der Begründung ab, der Versicherte solle sechs Monate abwarten. Die Ablehnung dürfte rechtswidrig sein, da die Behandlung von Krebserkrankungen regelmäßig einen Zeitraum von 6 Monaten übersteigt.

Unwiderlegliche Vermutung

Die zitierte Klausel bedient sich einer juristischen Figur, die als unwiderlegliche Vermutung bzw. Fiktion bezeichnet wird. Konkret bedeutet dies, wenn der Versicherte mindestens sechs Monate berufsunfähig (oder arbeitsunfähig) war, ist die Dauerhaftigkeit automatisch gegeben. Es bedarf hier keiner weiteren Prüfungen.

Die Folge ist, dass die BU-Rente ab dem Eintritt der Berufsunfähigkeit grundsätzlich unbegrenzt bis zu deren Wegfall zu zahlen ist. Es sei denn, der Versicherte hat seinen Anspruch zu spät angemeldet.

 

Was bedeutet vorübergehende Berufsunfähigkeit?

Bei der Frage der vorübergehenden Berufsunfähigkeit kommt es also auf die Auslegung der Formulierung „voraussichtlich dauerhaft“ an. Wie alle Prognosen kann sich auch die Prognose über die Dauerhaftigkeit als falsch erweisen. Dies ist aber kein Problem. Der Versicherer muss dann die Rente vom Eintritt der Berufsunfähigkeit bis zu deren Ende zahlen.

Es ist aber falsch, dass Leistungen erst ab dem sechsten oder siebten Monat zu zahlen sind, vorausgesetzt der Versicherte hat seinen Anspruch rechtzeitig angemeldet. Es drängt sich der Eindruck auf, manche Versicherer wollen ihre Versicherungsnehmer mit dieser Behauptung gezielt verwirren und sich so ihrer Zahlungspflicht entziehen.

 

Keine Vergleiche oder Abfindungen unterschreiben!

Keinesfalls sollten Versicherte daher ein Vergleichsangebot oder eine Abfindungserklärung unterzeichnen, in der sie gegen Zahlung eines geringen Betrages auf weitere Zahlungen verzichten. Versicherte sollten bei derartigen Angeboten immer einen Rechtsanwalt für Versicherungsrecht zurate ziehen.