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Auch wenn die Voraussetzungen für die Invaliditätsleistung erfüllt sind, regeln die Versicherungsbedingungen Umstände, unter denen die Unfallversicherung nicht zahlt. Man spricht hierbei von Risikoausschlüssen.

Viele Versicherer behaupten sehr schnell, das Vorliegen eines Ausschlusses, um nicht zahlen zu müssen. Sollten Sie Zweifel haben, ob ein Ausschluss in der Unfallversicherung wirklich erfüllt ist, sollten Sie immer einen spezialisierten Rechtsanwalt für die privaten Unfallversicherung kontaktieren.

Welche Ausschlüsse gibt es in der privaten Unfallversicherung?

Die nachfolgenden Ausschlüsse sind typischerweise in den Versicherungsbedingungen enthalten. Unterschieden wird zwischen ausgeschlossenen Unfällen und ausgeschlossenen Gesundheitsschäden.

1. Ausgeschlossene Unfälle

1.1 Geistes- und Bewusstseinsstörungen

Ausgeschlossen sind Unfälle, die auf Geistes- und Bewusstseinsstörungen beruhen.

Versicherungsbedingungen definieren den Ausschluss in Anlehnung an die Rechtsprechung in etwa wie folgt: „Eine Bewusstseinsstörung liegt vor, wenn die versicherte Person in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist.“ (z.B. OLG Dresden, Urteil vom 20.12.2021, Az: 4 U 2144/21).

Als Ursachen für eine Gesundheitsstörung werden gesundheitliche Beeinträchtigungen (z.B. epileptische Anfälle), die Einnahme von Medikamenten, Drogen- oder Alkoholkonsum genannt.

Von großer praktischer Bedeutung ist der Konsum von Drogen (z.B. Marihuana) oder der Ausschluss aufgrund von Alkohol. Sobald in einem Arztbericht die Alkoholisierung des Versicherungsnehmers festgestellt ist, kommt es in der Regel zu einer Ablehnung.

Allerdings fällt beispielsweise Alkoholkonsum außerhalb des Straßenverkehrs oftmals nicht unter den Ausschluss. Vor allem gibt es keine am Blutalkohol ausgerichtete Grenze. Entscheidend ist immer die jeweilige Persönlichkeit des oder der Verunfallten, das heißt seine oder ihre Trinkgewohnheiten sowie das persönliche und psychische Befinden. Von maßgeblicher Bedeutung sind außerdem die konkreten Umstände des Unfalls.

Gerade bei Alkoholeinfluss beziehen sich Unfallversicherer gern auf die Rechtsprechung zur absoluten Fahruntüchtigkeit (derzeit 1,1 Promille). Bei Unfällen außerhalb des Straßenverkehrs kommt diese Grenze aber nicht ohne weiteres zum Tragen. Es ist eben etwas anderes, ob Sie mit 1,2 Promille ein Auto fahren oder ob Sie eine Treppe hochlaufen. Das Auto dürfen Sie (richtigerweise) nicht mehr fahren. Es ist aber nicht verboten, dass Sie angetrunken eine Treppe hinaufsteigen.

Beispiel: Die Kanzlei betreute den Fall eines Mannes, der nach einem Dorffest angetrunken nach Hause kam. Es ereignete sich ein Treppensturz, bei dem sich der Mann schwer verletzte und zunächst ins Koma fiel und später querschnittsgelähmt war. Der Unfallversicherung verweigerte zunächst die Zahlung der Versicherungsleistung mit dem Hinweis, die Blutalkoholkonzentration habe 1,6 Promille betragen. Nachdem wir ausführlich dargelegt und Zeugen benannt hatten, dass der Mann keine alkoholtypischen Ausfallerscheinungen hatte, erklärte sich der Versicherung zu einer Zahlung von 65.000 Euro bereit.

1.2 Straftat

Kein Versicherungsschutz besteht für Unfälle, die dem Versicherten dadurch zustoßen, indem er eine vorsätzliche Straftat begeht. Ordnungswidrigkeiten sind hierdurch nicht erfasst.

Beispiel: Der Ausschluss greift zum Beispiel auch beim Fahren mit einem nicht versicherten Kraftfahrzeug, da dies gemäß § 6 PflVG eine Straftat darstellt.

1.3 Kriegs- und Bürgerkriegsereignisse

In allen Versicherungsbedingungen befindet sich tatsächlich ein Ausschluss für Unfälle im Zusammenhang mit Kriegen und Bürgerkriegen. Der Hintergrund ist genauso grausam wie einfach: Sollte in Deutschland ein (Bürger-)Krieg ausbrechen, würde es eine Vielzahl von Opfern geben. Für die Versicherer wären die Schäden nicht mehr kalkulierbar.

Ausnahmen bestehen in der Regel, wenn sich der Versicherte auf Reisen befindet und hier von Kriegs- oder Bürgerkriegsereignissen überrascht wird. Wichtig: Wer freiwillig in ein Kriegsgebiet reist, wird nicht überrascht. Die Ausnahme vom Ausschluss gilt dann nicht mehr.

1.4 Unfälle im Luftverkehr

Ausgeschlossen sind ebenfalls Unfälle, in denen die versicherte Person als Führer eines Luftfahrzeugs oder Luftsportgerät (zum Beispiel: Pilot, Gleitschirm- oder Drachenflieger), als Besatzungsmitglied eines Luftfahrzeugs oder im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit mit Hilfe eines Luftfahrzeugs erleidet. Flugpassagiere sind dagegen in der Regel versichert.

1.5 Teilnahme an Rennen mit Motorfahrzeugen

Teilnehmer an Rennen mit Motorfahrzeugen genießen ebenfalls keinen Versicherungsschutz. Teilnehmer sind jedoch nur Fahrer, Beifahrer oder Insassen des Motorfahrzeugs. Zuschauer einer Rennveranstaltung fallen demnach nicht unter den Ausschluss.

„Rennen sind solche Wettfahrten oder dazugehörige Übungsfahrten, bei denen es auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ankommt.“ (AUB 2020)

1.6 Unfälle durch Kernenergie

Unfälle, die mittelbar oder unmittelbar durch Kernenergie verursacht wurden, sind ausgeschlossen.

2. Ausgeschlossene Gesundheitsschäden

Daneben sind diverse Gesundheitsschäden, die in Folge des Unfalls eingetreten sind, von Risikoausschlüssen in der privaten Unfallversicherung umfasst.

2.1 Schäden an Bandscheiben sowie Blutungen aus inneren Organen und Gehirnblutungen

… sind ausgeschlossen. Allerdings gilt dies nicht, wenn diese Gesundheitsschäden überwiegend durch einen Unfall verursacht wurden.

Ein Bandscheibenvorfall wird in der Regel nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein. Ereignet sich der Bandscheibenvorfall aber beispielsweise als Folge eines schweren Sturzes, kann eine Leistung aus der privaten Unfallversicherung zu beanspruchen sein. Die Abgrenzung kann sehr schwierig sein. Da die Folgen von Gesundheitsschäden an der Wirbelsäule oft mit hohen Invaliditätsleistungen einhergehen, lehnen Versicherer oftmals pauschal ab. Versicherte sollten immer die Hilfe eines spezialisierten Anwalts für die private Unfallversicherung in Anspruch nehmen.

2.2 Gesundheitsschäden durch Heilmaßnahmen oder Eingriffe

Der Risikoausschluss für Schäden durch Heilmaßnahmen oder Eingriffe besitzt ebenfalls eine hohe praktische Bedeutung. Eine Ausnahme vom Ausschluss besteht immer dann, wenn Heilmaßnahmen oder Eingriffe ihrerseits aufgrund eines versicherten Unfalls erfolgt sind.

Heilmaßnahmen

Gesundheitsschäden durch Heilmaßnahmen umfassen vor allem den Komplex der ärztlichen Behandlungsfehler. Per Definition liegen hier Unfälle im Sinne der privaten Unfallversicherung vor. Darauf beruhende Schäden sind aufgrund des Risikoausschlusses nicht mitversichert.

Auch dieser Ausschluss wird von Versicherern schnell angenommen. In der Rechtsprechung lassen sich aber Konstellationen finden, in denen die Versicherer mit ihrem Einwand keinen Erfolg hatten. So greift der Ausschluss nicht, wenn völlig unverständliche medizinische Maßnahmen ergriffen wurden oder es zu untypischen Kausalverläufen gekommen ist. Stolpert der Arzt beispielweise bei einer Operation und verletzt dabei den Patienten, wird sich der Unfallversicherer kaum auf den Ausschluss berufen können.

Eingriffe

Eingriffe am Körper der versicherten Person sind ebenfalls ausgeschlossen. Es ist dabei egal, ob der/die Versicherte den Eingriff selbst vorgenommen hat oder ob der Eingriff durch eine dritte Person erfolgte.

Beispielsweise fallen somit Gesundheitsschäden aufgrund von Piercings oder Tattoos unter den Risikoausschluss.

Zu einer gewissen traurigen Berühmtheit gelangten autoerotische Unfälle durch Strangulation. Versicherte hatten sich aus erotischen Gründen selbst stranguliert und sind dabei zu Tode gekommen. Offensichtlich lagen keine Suizide vor. Angehörige verlangten die Todesfallleistung von der Unfallversicherung. Die Gerichte haben bereits mehrfach angenommen, dass ein Eingriff am eigenen Körper vorliegt und der Ausschluss greift.

Gilt der Ausschluss für Heilmaßnahmen und Eingriffe immer?

Private Unfallversicherer behaupten den Ausschluss sehr schnell. Wichtig zu wissen ist, dass Heilmaßnahmen und Eingriffe vom Versicherten selbst oder mit dessen Einverständnis vorgenommen werden müssen. Wird der Versicherte Opfer eines Verbrechens, greift der Ausschluss nicht. Es kann sich ebenfalls ein anderes Ergebnis ergeben, wenn Heileingriffe gegen den Willen des Patienten oder ohne dessen Einwilligung durchgeführt werden.

2.3 Psychische Reaktionen

Die Versicherungsbedingungen schließen außerdem krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen aus, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden.

Beispiele sind hier die posttraumatische Belastungsstörung infolge eines Unfalls (z.B. Verkehrsunfall) oder Angststörungen nach einem Unfall (z.B. beim Opfer einer Straftat).

Der Ausschluss stellt sich in der Praxis teilweise als sehr kompliziert dar. Es gibt Fälle, in denen nach einem Unfall eine strukturelle Verletzung (z.B. an einem Gelenk) feststellbar ist und in der Folge Lähmungen oder Bewegungseinschränkungen auftreten, die physisch nicht mehr „messbar“ sind. Versicherer behaupten dann oft eine psychische Reaktion.

Der Risikoausschluss gilt außerdem nicht, wenn Gesundheitsschäden, in denen der Unfall und seine physischen Folgen der eigentliche Grund für die Entstehung der psychischen Störung geworden sind, da man hier nicht mehr lediglich von einer psychischen Reaktion auf das Unfallereignis ausgehen kann (OLG Hamm, Urteil vom 07.07.2016, Az. 6 U 4/16).

Diese Fälle sind außerordentlich kompliziert und betroffene Versicherungsnehmer sollten immer einen Rechtsanwalt für die private Unfallversicherung um Rat ersuchen.

2.4 Infektionen

Gesundheitsschäden durch Infektionen sind ebenfalls von einem Risikoausschluss in der privaten Unfallversicherung betroffen. Ausnahmen sind oftmals für Fälle geregelt, in denen die Krankheitserreger durch einen versicherten Unfall in den Körper gelangt sind. Beispiele können hier eine Infektion mit Tollwut oder Wundstarkrampf (z.B. durch Bissverletzung), Zeckenstiche oder Infektionen in der Folge von versicherten Heilmaßnahmen (z.B. MRSA-Infektion im Krankenhaus) sein.

2.5 Vergiftungen

Vergiftungen durch Einnahme von festen und flüssigen Stoffen durch den Schlund werden von einem Risikoausschluss in der privaten Unfallversicherung umfasst. Eine Ausnahme besteht hier in der Regel für mitversicherte Kinder, die zum Zeitpunkt des Unfalls das 10. Lebensjahr nicht vollendet haben. Dies gilt wiederum dann nicht, wenn die Vergiftung auf Nahrungsmitteln beruht.

2.6 Bauch- und Unterleibsbrüche

… sind nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht durch eine gewaltsamen, von außen kommenden Einwirkung entstanden sind und diese Einwirkung Versicherungsschutz besteht.

2.7 Gesundheitsschäden durch Strahlen

Gesundheitsschäden durch Strahlen sind teilweise dann nicht ausgeschlossen, wenn sie im Rahmen von diagnostischen oder therapeutischen Zwecken erfolgt sind.

3. Weitere Risikoausschlüsse

Versicherungsverträge sind private Verträge zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Die Verträge können somit auch weitere Ausschlüsse enthalten. Die oben genannten Ausschlüsse entsprechen den Musterbedingungen des GDV.

Versicherungsnehmer, die ein bestimmtes Risiko mitversichert wissen wollen, müssen unbedingt die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung (AUB) im Einzelfall prüfen und sollten sich mit einem Versicherungsmakler oder -vertreter beraten.

Risikoausschlüsse bestehen nicht selten für Risikosportarten und Extremsportarten. Ausgeschlossen können beispielsweise sein:

Betreiben Sie die genannten oder ähnliche Sportarten, sollten Sie die Ausschlüsse genau prüfen. Es gibt zahlreiche Versicherer am Markt, in denen die genannten Sportarten mit eingeschlossen sind.

Sind Sie Berufssportler gelten für Sie ohnehin andere Voraussetzungen. Lassen Sie sich in diesem Fall unbedingt individuell beraten.

Wann zum Fachanwalt für Versicherungsrecht?

Die Risikoausschlüsse in der privaten Unfallversicherung sind eine Materie, die sich eigentlich immer mit einem Spezialisten für die private Unfallversicherung beraten sollten. Die Materie ist außerordentlich kompliziert und durch eine Vielzahl von Einzelfallrechtsprechung geprägt, die ein Laie kam überblickt. Gerade die sehr häufig behaupteten Ausschlüsse im Zusammenhang mit Alkohol, Drogen oder psychische Reaktionen lassen einen großen Interpretationsspielraum und Sie sollten ablehnenden Versicherern keinesfalls nachgeben.