Versicherungsmakler haftet auch bei Regulierung des Versicherungsschadens
BGH Urteil vom 30.11.2017, I ZR 143/16
Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Frist in der privaten Unfallversicherung versäumt wurde. Eine Versicherungsmaklerin hatte versäumt, eine Kundin auf die Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität hinzuweisen. Die Versicherungsnehmerin konnte gegen die Maklerin einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB geltend machen.
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Zum Sachverhalt
Die Klägerin nimmt eine Versicherungsvermittlerin und eine für diese tätige selbstständige Handelsvertreterin in Anspruch. Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch von 37.842,45 € aufgrund einer Pflichtverletzung aus dem Maklervertrag geltend.
Die Klägerin war selbst zwischen 2008 bis Ende 2010 für beklagte Versicherungsvermittlerin tätig und vermittelte an sich selbst eine private Unfallversicherung, bei der auch ihr Ehemann versicherte Person war. Bei Beendigung ihrer Tätigkeit für die Vermittlerin übergab die Klägerin alle von ihr vermittelten Versicherungsverträge der Handelsvertreterin zur Weiterbetreuung.
Der Ehemann erlitt am 24.04.2012 einen Verkehrsunfall, welcher der Versicherung ordnungsgemäß gemeldet wurde. Das ausgefüllte Formular der Versicherung wurde vom Büro der Handelsvertreterin an die Versicherung gefaxt. Diese wies die Klägerin mit einem Schreiben vom 19.06.2012 darauf hin, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung nur besteht, wenn die unfallbedingte Invalidität innerhalb von 12 Monaten nach dem Unfall eingetreten ist und innerhalb von 18 Monaten ärztlich festgestellt wurde.
Mit Schreiben vom 21.11.2014 lehnte die Versicherung den Antrag der Klägerin auf Invaliditätsleistung ab, da die Invalidität nicht innerhalb von 18 Monaten festgestellt wurde.
Die Klägerin macht nunmehr die Versicherungsvermittlerin und die Handelsvertreterin für das Versäumen der Frist verantwortlich. Beide hätten die Klägerin nach dem Maklervertrag darauf hinweisen müssen, die Invalidität innerhalb von 18 Monaten ärztlich feststellen zu lassen. Mit der Handelsvertreterin sei zudem vereinbart worden, dass sie sich um die gesamte Schadensabwicklung kümmere. Sie hätte folglich dafür sorgen müssen, dass die ärztliche Invaliditätsfeststellung innerhalb von 18 Monaten erfolgt und bei der Versicherung angezeigt wird.
Die Klägerin fordert den Ersatz der entgangenen Versicherungsleistung in Höhe von 37.842,45 € und der außergerichtlichen Anwaltskosten.
Landgericht und Oberlandesgericht
Die erste Instanz vor dem Landgericht Osnabrück und die Berufung vor dem Oberlandesgericht Oldenburg lehnten den Schadensersatzanspruch der Klägerin ab. Das Berufungsgericht ließ offen, ob sich die Handelsvertreterin durch die Übernahme der Unterlagen auch bereit erklärt hatte, die gesamte Schadensabwicklung zu übernehmen. Es hätte zum entsprechenden Zeitraum noch keine Sicherheit bestanden, ob tatsächlich eine unfallbedingte Invalidität verbleiben würde. Die Handelsvertreterin hätte lediglich einen allgemeinen Hinweis erteilen müssen.
Entscheidung des BGH
Auf Revision der Klägerin ist das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben worden. Grundlage des Schadensersatzanspruches sind dabei nicht die §§ 60, 61 VVG, sondern der allgemeinen zivilrechtliche Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Es handelt sich vorliegend nicht um eine Pflichtverletzung bei der Vertragsanbahnung, sondern es steht eine Pflichtverletzung bei der Abwicklung eines Versicherungsfalls in Rede.
Das Berufungsgericht hatte festgestellt, dass Versicherungsvermittlerin und Handelsvertreterin nach dem Unfall des Ehemanns verpflichtet hatten, die gesamte Schadensabwicklung zu übernehmen. Die Klägerin hatte vorgetragen, die Handelsvertreterin habe sich verpflichtet hinsichtlich aller mit der Schadensabwicklung im Zusammenhang stehenden Fragen umfassend zu beraten und dafür Sorge zu tragen, dass innerhalb der 18 Monate die ärztliche Invaliditätsfeststellung erfolge und beim Versicherer angezeigt würde. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist dies jedoch von den Pflichten aus dem Maklervertrag umfasst:
“Danach kann von einem Versicherungsmakler ein Hinweis auf den drohenden Verlust des Versicherungsanspruchs wegen Nichteinhaltung der Frist zur ärztlichen Feststellung und Geltendmachung einer eingetretenen Invalidität erwartet werden und ist eine Belehrungsbedürftigkeit des Versicherungsnehmers regelmäßig anzunehmen, wenn für den Versicherungsmakler erkennbar ist, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen die Unfallversicherung ernsthaft in Betracht kommen. Der Umstand, dass es zur eigenen Verantwortung des Versicherungsnehmers gehört, sich über Ausschlussfristen nach den Versicherungsbedingungen zu informieren, lässt keinen Raum für die Verteidigung des Versicherungsmaklers, sich auf diese Obliegenheit des Versicherungsnehmers zu berufen, weil sie lediglich das Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer betrifft. Der Versicherungsnehmer bedient sich aber gerade des Versicherungsmaklers als sachkundigen Fachmanns, um seine Ansprüche zu wahren und durchzusetzen”
Die Richter äußerten sich außerdem über ein eventuelles minderndes Mitverschulden nach § 254 BGB, da die Klägerin selbst über einschlägige Kenntnisse verfügte. Allerdings kann bei einem Beratungsvertrag der zu beratenden Person regelmäßig nicht als mitwirkendes Mintverschulden vorgehalten werden, sie hätte das, worüber der Berater hätte aufklären oder unterrichten müssen, bei entsprechenden Bemühungen ohne fremde Hilfe selbst erkennen können. Denn selbst wenn die zu beratende Person über einschlägige Kenntnisse verfügt, muss sie darauf vertrauen können, dass der von ihr beauftragte Berater die anstehenden Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.11.2017, AZ: I ZR 143/16