Das neue Antikorruptionsgesetz
Zum 4. Juni 2016 trat das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen (sg. Antikorruptionsgesetz) in Kraft. Der Gesetzgeber hat die Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299a und § 299b StGB) eingeführt.
Durch das Gesetz wird in Deutschland eine Lücke geschlossen, die durch einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 entstanden war. Danach konnten niedergelassene Vertragsärzte nicht unter die damals geltenden Regelungen zur Bestechlichkeit fallen, wenn sie Zuwendungen von Pharmaunternehmen für die Verordnung bestimmter Medikamente annahmen.
Wer kann sich strafbar machen?
Das Antikorruptionsgesetz beschränkt sich dabei nicht nur auf die zur vertrags(zahn)ärztlich niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker. Auch Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Krankenpfleger, Hebammen usw. werden von den Straftatbeständen der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen erfasst.
Eine (nur halbernste) Bemerkung am Rande: Das deutsche Strafgesetzbuch kennt noch keine gendergerechte Sprache. Kriminelle sind grundsätzlich männlich. Selbstverständlich kann sich aber auch die Ärztin, die Zahnärztin oder die Apothekerin strafbar machen.
Was wird bestraft?
Vereinfacht gesagt, wird ein Angehöriger eines Heilberufs bestraft, wenn er sich einen Vorteil dafür versprechen lässt, annimmt oder selbst fordert, dass er bei der Verordnung oder dem Bezug von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder aber bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen Wettbewerber in unlauterer Weise bevorzugt. Spiegelbildlich wird bestraft, wer entsprechende Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt.
Die Delikte können mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden. In besonders schweren Fällen drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Unsicherheit bei Leistungserbringern
Das neue Gesetz hat zu erheblichen Unsicherheiten auf Seiten der Leistungserbringer geführt. So werden zahlreiche Kooperationen im Gesundheitswesen momentan unter den Generalverdacht der Korruption gestellt. Zuwendungen als Gegenleistung für die Zuführung (Zuweisung) von Patienten, Patientenzuweisung innerhalb von Praxisgemeinschaften, Berufsausübungsgemeinschaften oder Gesundheitsnetzwerken, Zuwendungen von Pharmaunternehmen oder Medizinprodukteherstellern (z.B. Sponsoring von und Einladung zu Fortbildungsveranstaltungen), Rückvergütungen (Kick-back-Zahlungen) und anderes mehr geraten in das Blickfeld der Staatsanwaltschaften.
Anwendungsbeobachtungen für Medikamente und Medizinprodukte sind häufig Gegenstand der Kritik gewesen. Nach der Gesetzesbegründung zum Antikorruptionsgesetz sind Anwendungsbeobachtungen auch weiterhin ausdrücklich forschungs- und gesundheitspolitisch wünschenswert, insofern sie nicht reinem Marketing dienen. Strafbar können sie sein, wenn der Aufwand und das Honorar des Arztes in einem nicht mehr nachvollziehbaren Verhältnis stehen.
Was ist zu tun?
Die Auswirkungen des Antikorruptionsgesetzes für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Angehörige anderer Heilberufe darf nicht unterschätzt werden. In einigen Bundesländern sind bereits Staatsanwaltschaften aufgebaut worden, die sich schwerpunktmäßig mit der Korruption im Gesundheitswesen beschäftigen.
Es empfiehlt sich, die laufenden Kooperationen und Praktiken auf deren Vereinbarkeit mit den neuen Straftatbeständen zu überprüfen. Vorsorglich sollte Praxispersonal und Mitarbeiter auf die neue gesetzliche Lage hingewiesen und entsprechend geschult werden.
Es ist zu befürchten, dass die Strafverfolgungsbehörden in Kürze zahlreiche Ermittlungsverfahren einleiten werden. Die Hürde einen Anfangsverdacht zu bejahen, ist denkbar niedrig. Nicht selten werden Hausdurchsuchungen in der Arztpraxis oder Klinik das Mittel der Wahl sein. Ebenso ist bekannt, dass nach einer steuerlichen Betriebsprüfung durch den Steuerprüfer Ermittlungen angestoßen werden.
Sollten es zu einer Hausdurchsuchung kommen oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bekannt werden, empfiehlt es sich in jedem Fall frühzeitig einen Rechtsanwalt zu beauftragen.